Das pavillonartige Schallhaus steht im Zentrum der Unteren Terrasse des Schlossgartens der Heidecksburg zu Rudolstadt.
Etwa um 1700 wurde im Mittelpunkt einer barocken Gartenanlage ein Gartenhaus mit Altan in der Form eines Oktogons errichtet.
Inwieweit es hierfür bereits Vorläufer gab, ist archivalisch nicht eindeutig belegt. Im Inneren befand sich ein großer Saal
mit gewölbter Decke und einer umlaufenden Galerie. Galerie und Altan waren von außen durch separate, in der Nordwand ausgesparte
Treppen zu erreichen. Eine Saal und Treppen überdeckende erhöhte Haube ließ den Altan frei. So bot sich von dort, eine herrliche
Aussicht auf Garten und Umgebung.
Etwa 1729/30 erhielt der Pavillon eine das ganze Gebäude überdeckende achteckige geschweifte Schieferhaube mit vier Dachgauben.
Darunter befindet sich der Schallsaal. Dieser ist durch eine Öffnung im Boden mit der darunter liegenden Galerie und dem ebenerdigen
Raum für die Zuhörer verbunden. Durch die gekrümmten Wände, die allmählich in die gewölbte Decke übergehen, entsteht die spezifische Akustik des Raumes.
Um 1800 wurden Fenster an die Stelle der Ost- und Westportale eingesetzt und das Südportal mit einer Eingangstür versehen.
Das Schallhaus wurde im klassizistischen Stil ausgestattet und der Schlossgarten als Landschaftsgarten umgestaltet.
Diese Ausstattung hat sich bis in das 20. Jahrhundert im Wesentlichen erhalten und war Vorlage für die jetzige Restaurierung.
Das Schallhaus in Rudolstadt birgt einen der Räume für Konzerte in sich, die in der Barockzeit besonders beliebt waren, weil Podium und Auditorium
übereinander liegen. Eigens dafür errichtete man im 17. und 18. Jahrhundert in Mitteldeutschland, meist über Kirchen oder Sälen
kuppelähnliche – auch Schallsaal - genannte Räume, die häufig im Dachbereich oder sogar in eigenen Aufbauten auf dem Dach angeordnet wurden.
Durch große Schallöffnungen im Boden waren sie mit den darunter liegenden Räumen verbunden. Während die Musiker im oberen Raum konzertierten,
hielten sich die Zuhörer im unteren auf. So konnte der Hofstaat Musik hören, ohne die Musiker zu sehen. Vermutlich aus der älteren Praxis der
raumsparenden Unterbringung der Musiker auf Emporen entwickelten sich zuerst umlaufende Galerien, die meist unterhalb der Raumdecke verliefen
und daraus jene Räume.
Neben dem gewünschten Effekt: ,,von unten ein fein Prospekt“ zu haben, musste bedingt durch die Nutzung als Podium die
jeweilige Raumakustik bei der Planung berücksichtigt werden. Die wichtigsten Gesetzmäßigkeiten der Schallausbreitung waren bekannt. Am stärksten
beeinflussen die Raumform sowie die Struktur und das Material der Oberflächen die Raumakustik. Da sich kaum Räume dieser Art erhalten haben,
bleibt die Forschung auf schriftliche und bildliche Quellen sowie auf Vermutungen und Vergleiche angewiesen. Darum ist es besonders erfreulich,
dass das Schallhaus auf der Heidecksburg erhalten blieb. Es hat – wenn auch mit Verlusten – die Zeiten überdauert und kann Aufschluss über die
Raumakustik solcher Konzerträume geben.
Das wesentlichste Element des Schallhausdaches ist die freitragende Rippenschalenkonstruktion, bestehend aus Bohlenbindern.
Dies sind Träger, die aus mehreren kürzeren Holzbrettern zusammengesetzt werden. Durch ihren gekrümmten Verlauf im Schallhausdach
und dem achteckigen Gebäudegrundriss erhält der Schallsaal seine Raumform. Der Wandaufbau bestand aus einer als Putzträger dienenden,
direkt auf die Bohlenbinder aufgenagelten Bretterschalung.
Damit der Putz auf den Brettern hielt, wurden Schilfrohrmatten angebracht.
Nachweisen lässt sich ein zweischichtig aufgebrachter Putz. Über dem Grundputz mit einer variierenden Stärke von z. T. mehreren Zentimetern
liegt ein wesentlich dünnerer Feinputz. Dessen Oberfläche war sorgfältig geglättet. Als Bindemittel diente Kalk.
Das Schallloch mit einer Länge von 3,90 m und einer Breite von 2,30 m liegt in der Mitte des gedielten Fußbodens. Um das Schallloch zog sich ein
Geländer, das zugleich als Notenpult diente.
1991 musste während der Neueindeckung des Daches die vom Schwamm befallene Dachkonstruktion teilweise ausgetauscht werden. Dabei wurde
auch der Wandputz im Schallsaal entfernt. Er ist die Voraussetzung für die ursprüngliche Raumakustik. Bei Abtragung des Putzes wurden acht
sog. Flüsterrillen festgestellt. Diese tragen zur Verstärkung der Raumakustik bei. Im Zuge der Restaurierung wurde der Wandputz entsprechend
der Befunde erneuert und die Flüsterrillen wieder eingezogen.
Durch die Raumform des Schallsaales wird der sich ausbreitende Schall der Musik in hohem Maße und von allen Seiten reflektiert.
Durch die Krümmung der Wände und die annähernd ovale Raumform können Schallwellen in allen Richtungen durch wiederholte Reflexion
auf sehr unterschiedlich langen Umlaufwegen durch den Schallsaal laufen und sich dabei auch mit anderen Wellen überlagern, bevor
sie durch das Schallloch in den unteren Saal gelangen. Sie werden aber aufgrund der stark diffusen Reflexionen im Schallsaal nach
allen Seiten in den unteren Saal geworfen. Der Anteil des Direktschalls, der den Zuhörer hier erreicht, ist gering.
Der Klangeindruck im Saal wird sehr durch den indirekten Schall beeinflusst. Aufgrund unterschiedlich langer Wege der reflektierten
Wellen treffen sie z. T. zeitlich versetzt beim Hörer ein. Davor kommt es durch Interferenz, neben einem langen Nachhall, zu komplexen
Effekten von Verstärken, Schweben und auch dem Auslöschen von Schallwellen. Weil der reflektierte Schall aus verschiedenen Richtungen auf
das Gehör trifft, ist es unmöglich die Richtung aus der er kommt zu bestimmen. Der Zuhörer im Schallhaus bekam wahrscheinlich einen
verstärkten, durchmischten und schwebenden Klangeindruck. Sozusagen eine vom Himmel herabschwebende, den Raum erfüllende "sphärische“ Musik.
Johann Sebastian Bach konzertierte von 1708 bis 1717 in einem ähnlichen Raum in der berühmten Himmelsburg der Schlosskirche zu Weimar.
Die in der Mitte des 17. Jahrhunderts fertig gestellte Schlosskirche wurde 1774 beim Brand der Wilhelmsburg vollständig zerstört. Die
Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt ließen sich 1699 im Schloss Rathsfeld eine kleinere Version der Himmelsburg errichten. Diese Schlosskapelle
könnte das Vorbild für den ca. 30 Jahre später entstandenen Schallsaal im Schallhaus gewesen sein. Nach derzeitigem Forschungsstand war er der
letzte in Thüringen gebaute Schallsaal. Er scheint der einzig erhalten gebliebene auf dem Gebiet des heutigen Thüringens zu sein, wenn nicht sogar
in ganz Deutschland. Auch dies war ein Grund, das Schallhaus wiederherzustellen.
Link zum Video: Klangwunder Schallhaus
Mit der Umgestaltung des barocken Lustgartens zum Landschaftsgarten zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde auch das Schallhaus von außen
und im Innern verändert. Dabei entfernte man bedauerlicherweise wesentliche Bestandteile seiner barocken
Gestaltung. Aus den großen gegenüberliegenden Türen wurden Fenster, der Eingang nach Süden verlegt.
Das Schallhaus erhielt einen ockerfarbenen Anstrich und der Saal eine neue, nun blaue Farbigkeit mit
grau gehaltenen Ornamenten.
Anhand zweier Entwürfe lässt sich nachvollziehen, dass auch die Akustik im
Schallhaus verändert werden sollte. Das Raumvolumen des Schallsaales sollte verkleinert werden. Dazu war
vorgesehen die Decke des unteren Saales anzuheben und die gewölbten Segmente durch schräge ebene Flächen zu
ersetzen. Dieser Teil der Planung wurde jedoch nicht ausgeführt. Anschließend stellte man im Schallhaus in Rom
erworbene Gipsabgüsse auf. Darunter die Köpfe der Dioskuren, die auch Goethe nach Rudolstadt lockten.
Der Saal blieb in seiner klassizistischen Gestaltung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts erhalten. Wegen der
vorhandenen Befunde und der archivalisch vorliegenden Dokumente entschied die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten,
das Schallhaus in dieser klassizistischen Fassung zu restaurieren.